Update Kürzungen Spitzenförderung Theater / Kinder- und Jugendtheater
Im Ausschuss für Kultur und Medien des Landtages NRW am 15. Mai 2025
hat
Ministerin Ina Brandes in einer aktuellen Viertelstunde neue
Informationen zum Umgang mit der nächsten Ausschreibung der Spitzen- und
Exzellenförderung Theater und Kinder- und Jugendtheater mitgeteilt, die
das NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste zusammengestellt hat.
Statement nrw landesbuero tanz
Das NRW-Förderdesaster für die freie Szene geht weiter
Die Kürzungen des NRW-Kulturministeriums (MKW) in den freien darstellenden Künsten kommen einem Kahlschlag gleich.
Die Einsparungen durch die am Jahresanfang beschlossenen Kürzungen von Tanzstrukturen sowie von international ausgerichteten Projekten und Netzwerken sollten laut MKW eigentlich den Künstler:innen zugutekommen. Doch: Weit gefehlt. Das Gegenteil ist der Fall.
Auch die Zielsetzung des MKW
[1], wie am 16. Januar 2025 im Ausschuss für Kultur und Medien des
Landes NRW verkündet, an der Struktur der Förderprogramme festzuhalten,
ist nun nicht mehr belastbar. Hat doch die Prüfung der überjährigen
Förderprogramme durch das MKW zu einem katastrophalen Ergebnis für die
gesamte freie Szene in den darstellenden Künsten geführt. Die Politik
der Landesregierung zielt auf einen massiven Abbau von gewachsenen und
wichtigen Kulturprojekte ab. Beabsichtigt ist eine massive Kürzung der
dreijährigen Förderprogramme im Bereich Theater und bei Kinder- und
Jugendtheatern. Für die verschiedenen Programme bedeutet dies:
- Die Spitzen- und Exzellenzförderung für Theater soll um fast 50 Prozent reduziert werden.
Bereits im Juni 2025 laufen die bestehenden Förderbewilligungen aus –
ein drastischer Einschnitt in eine über 13 Jahre gewachsene
Förderstruktur. Für zahlreiche etablierte Künstler:innen und Netzwerke
bedeutet das eine akute existenzielle Bedrohung. Mit ihrem innovativen
und experimentellen Charakter setzt die freie Szene wichtige Akzente,
die oftmals als Impuls von staatlichen bzw. kommunalen Häusern
aufgegriffen werden. Die einschneidenden Streichungsmaßnahmen für die
über die Landesgrenzen hinaus bedeutende Szene werden Lücken im
Gesamtgefüge des eng kalkulierten Produktionssystems reißen und
langfristig zum Verlust der überregionalen Bedeutung der Szene führen.
Das gilt es zu verhindern.
- Die Spitzenförderung Kinder- und Jugendtheater wird ab sofort eingestellt.
Diese Entscheidung betrifft maßgeblich eine bundesweit
anerkannte Szene freier Ensembles, die mit innovativen und qualitativ
herausragenden Produktionen das junge Publikum in NRW und weit darüber
hinaus erreicht. Die bisherige Fördersumme wird um 50 Prozent gekürzt
und dann nochmals geteilt: Vier anstelle der derzeit sechs geförderten
Gruppen sollen eine deutlich niedrigere Dauerförderung des Landes
erhalten. Die andere Hälfte soll in Produktionshäuser für Kinder und
Jugendtheater gehen. Für die Künstler:innen bedeutet dies eine Kürzung
der ihnen zur Verfügung stehenden Fördersumme um 75 Prozent. Die
radikale Kehrtwende in der Förderpolitik legt die Vermutung nahe, dass
im Bereich Kinder- und Jugendtheater eher eine Basisförderung
„ausreichen“ soll. Der Verzicht auf Ausschreibungs- und Juryverfahren
stellt darüber hinaus einen großen Rückschritt in Bezug auf eine
transparente und auf Diversitätsentwicklung setzende Förderpolitik dar. - Über die Zukunft der mehrjährigen Konzeptions- und Tanzförderungen
macht das Kulturministerium derzeit keine Angaben. Besonders gravierend
ist die Situation, da die dreijährige Konzeptionsförderung, deren
nächste Förderperiode bereits zum 1. Januar 2026 beginnen sollte, für
viele Kompanien das zentrale Förderinstrument darstellt. Sie ist
essentiell für die Planungssicherheit und wird von der vielfältigen
Tanz-, Theater- und Zirkusszene stark nachgefragt. Aufgrund der
erheblichen Kürzungen in der Exzellenz- und Spitzenförderung ist damit
zu rechnen, dass die Belastung der übrigen Förderprogramme deutlich
zunimmt.
Das Ministerium betont mehrfach, dass es auf Grund der Haushaltslage
„auf Sicht fahren“ muss. Die Kurzfristigkeit in den Entscheidungen und
die Verabschiedung von der Mehrjährigkeit lässt die Künstler:innen
jedoch ohne Perspektiven, mit enormem Zeitdruck, maximaler
Verunsicherung und dramatischer Existenzbedrohung zurück. Allein die
Kurzfristigkeit kommt dem Charakter einer Verkündung gleich und weicht
von jedem Gedanken partizipativer Suche nach Lösungen ab. Dialog sieht
anders aus! Eine Übergangsfinanzierung für die besonders betroffenen
Gruppen würde die notwendige Zeit für strukturelle Anpassungen schaffen.
Darüber hinaus hätten Kürzungen von 50 bis 75 Prozent einen
gravierenden Dominoeffekt: Ohne die nötige Kofinanzierung durch das Land
sind Bundes- und EU-Fördermittel für viele Kunstschaffende in NRW nicht
mehr zugänglich. Auch internationale Kooperationen müssen häufig
abgesagt werden, da die notwendige Planungssicherheit und finanzielle
Grundlage fehlen. Die Strategie des „Auf-Sicht-Fahrens“ entwickelt sich
für die Künstler:innen zur ungebremsten „Fahrt gegen die Wand“.
Das nrw landesbuero tanz appelliert an das NRW-Kulturministerium, an
Ministerin Ina Brandes und an die Landesregierung, die für die freie
Szene folgenschweren Kürzungsentscheidungen zu überdenken und
zurückzunehmen. Die Konsequenzen für die gesamte freie Szene – für
Künstler:innen, Strukturen, Häuser, Netzwerke und Festivals – wären so
folgenschwer, dass gemeinsam andere tragfähige Lösungen entwickelt
werden müssen, um der Abschaffung der herausragenden freien
zeitgenössischen Szene in den darstellenden Künsten in NRW
entgegenzuwirken.
Das Landesbüro fordert vom Kulturministerium und der Landesregierung
frühzeitig mit den exzellenz-, spitzen- und konzeptionsgeförderten
Tanzschaffenden in einen transparenten Austausch über die Fortführung
der Förderung zu treten. Planungssicherheit, Dialog und partizipative
Kommunikation sind kein Luxus. Sie sind die Grundlagen für künstlerische
Freiheit, kulturelle Teilhabe und ein lebendiges, demokratisches
Kulturleben in NRW. Dies aber wird gerade missachtet.
Köln, 12.05.2025
nrw landesbuero tanz
[1]
Quelle: Landtag Nordrhein-Westfalen 18. Wahlperiode
Ausschussprotokoll APr 18/805 16.01.2025 Ausschuss für Kultur und Medien
37. Sitzung, S. 45: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA18-805.pdf
Mitteilungen aus der Freien Szene in NRW
Statement NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste
Statement nrw landesbuero tanz
Pressemitteilung Freie Szene
Pressemitteilung Kulturrat NRW
Veröffentlichungen in den Medien
WDR 3 Resonanzen: Kulturausschuss zu Etatkürzung in freier Szene (15. Mai 2025)
wdr.de: Freie Theaterszene: NRW-Kulturrat kritisiert Kürzungen (14. Mai)
Bonner General-Anzeiger: Theaterensembles aus Bonn und Köln sehen ihre Existenz bedroht (13. Mai)
tanznetz.de: Kollaps der Freien Szene (13. Mai)
tanzweb.org: Aufruhr in der Tanz- und Theaterszene NRW (13. Mai)
nachtkritik.de: Jugend ohne Zukunft? (13. Mai)
WDR 3 Resonanzen: Kahlschlag in der freien Theaterszene? Interview mit Angie Hiesl (12. Mai)
Deutschlandfunk Kultur: Freie Theaterszene alarmiert: NRW bringt Mittelkürzung auf den Weg. Interview mit Ulrike Seybold (12. Mai)
nachtkritik.de: Freie Szene NRW: Drastische Einschnitte angekündigt (11. Mai)
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